Physiknobelpreis 1932: Werner Heisenberg

Physiknobelpreis 1932: Werner Heisenberg
Physiknobelpreis 1932: Werner Heisenberg
 
Der deutsche Physiker erhielt den Nobelpreis für Physik mit erst 32 Jahren für seine Arbeiten zur Aufstellung der Quantenmechanik.
 
 
Werner Heisenberg, * Würzburg 5. 12. 1901, ✝ München 1. 2. 1976; 1927 ordentlicher Professor für theoretische Physik in Leipzig, 1942 Direktor am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin, ab 1946 in Göttingen, seit 1948 am dortigen Max-Planck-Institut für Physik, ab 1958 an gleicher Wirkungsstätte in München; entdeckte die nicht-kommutative algebraische Struktur der Quantenmechanik und die Unbestimmtheitsrelationen.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Die Quantentheorie ist die zentrale Theorie der modernen Physik — und zu ihrer Aufstellung in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts trug eine ganze Reihe von namhaften Physikern bei. Unter allen Beiträgen sind es aber vor allem die des jungen Werner Heisenberg aus den Jahren 1925 bis 1927, die zur Begründung und Vollendung der Quantenmechanik als der neuen physikalischen Fundamentaltheorie führten.
 
 Die Aufstellung der Quantenmechanik
 
Die Entwicklung der Quantenmechanik, beginnend im Jahr 1900 mit Max Plancks (Nobelpreis 1918) Entdeckung des Wirkungsquantums, führte nach Niels Bohrs Arbeit (Nobelpreis 1922) zum Atommodell 1913 in eine Phase, die sich als semi-klassisch kennzeichnen lässt. In ihr spielten aus den Gesetzen der klassischen Newton'schen Physik heuristisch begründete Korrespondenzregeln eine zentrale Rolle. Es ging vor allem darum, das Spektralverhalten der atomaren Welt zu beschreiben, in die die experimentelle Physik nach und nach vordrang. Zu einer quantenmechanischen Theorie ließen sich diese Regeln aber nicht vereinigen — und so war es das große Verdienst des damals erst 24-jährigen Heisenberg, im Jahr 1925 mit der Arbeit »Über die quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen« den Schlüssel zur wahren Begründung der Quantenmechanik zu liefern. Heisenberg entdeckte, dass man die richtigen Regeln zur Beschreibung der Strahlungsübergänge zwischen den verschiedenen Energiezuständen von Atomen gewinnen konnte, wenn man diese, wie er es zunächst nannte, durch »quadratische Schemata« beschreibt, bei deren mathematischer Hintereinanderschaltung es auf die Reihenfolge ankommt.
 
Heisenberg machte diese Entdeckung während eines Kuraufenthalts auf Helgoland im Juli 1925. Sein Mentor Max Born (Nobelpreis 1954) in Göttingen erkannte bald darauf, dass es sich bei den »quadratischen Schemata« um Größen handelte, die man Matrizen nennt und von denen die Mathematiker wussten, dass sie die Eigenschaft der Nicht-Vertauschbarkeit unter Multiplikation besitzen. Durch diese nicht-kommutative Algebrastruktur der von Heisenberg neu entdeckten Matrizenmechanik war der wesentliche mathematische Charakterzug der Quantenmechanik ans Licht getreten.
 
Heisenbergs Durchbruch zog schlagartig eine Reihe weiterer Pionierarbeiten nach sich. Insbesondere entwickelte Erwin Schrödinger (Nobelpreis 1933) im Jahr 1926 in anfänglicher Konkurrenz zu Heisenberg die so genannte Wellenmechanik, deren Gleichwertigkeit mit der Matrizenmechanik sich aber bald zeigte. In nur zwei Jahren, von 1925 bis 1927, konnte die Quantenmechanik zu einer abgeschlossenen physikalischen Theorie vollendet werden. Zu diesem Abschluss trug auch eine zweite wichtige Arbeit Heisenbergs von 1927 mit dem Titel »Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik« bei, in der er die später nach ihm benannten Unbestimmtheitsrelationen formulierte.
 
Das Interesse Heisenbergs zielte, besonders durch die enge Zusammenarbeit mit seinem Lehrer und Freund Niels Bohr befördert, auch auf die begrifflichen Grundlagen der neuen Quantenmechanik, die sich seit ihrer Entdeckung bis heute durch ein besonderes Maß an Unanschaulichkeit und Interpretationsbedarf auszeichnet. Die Unbestimmtheitsrelationen führten zu der Einsicht, dass etwa Ort und Impuls eines Quantenobjekts, beispielsweise eines Elektrons, nicht gleichzeitig scharf gemessen werden können, sondern dass die genauere Kenntnisnahme der einen Größe zu einem entsprechenden Kenntnisverlust bei der anderen führt. Wie Bohr und Heisenberg betonen, ist dieser von der Wahl des Messaufbaus durch den Beobachter abhängige Sachverhalt prinzipieller und objektiver Natur und kann nicht durch unvollständiges Wissen seitens des Beobachters erklärt werden. Diese und weitere Überlegungen fanden Eingang in die so genannte Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik, die auf Bohrs und Heisenbergs gemeinsame Auffassungen zurückgeht.
 
 Heisenbergs weitere Arbeiten
 
Mit seinem Freund Wolfgang Pauli (Nobelpreis 1945) arbeitete Heisenberg gegen Ende der 1920er-Jahre an der mathematischen Ausweitung der Quantentheorie auf relativistische Wellenfelder. Durch diese Arbeiten nahm Heisenberg wesentlichen Anteil an der neu entstehenden Quantenfeldtheorie. Zu seinen weiteren Leistungen in dieser Zeit zählt außerdem seine Theorie des Ferromagnetismus, dann zu Beginn der 1930er-Jahre die Entdeckung des starken Isospins — einer speziellen Symmetrie zwischen Neutron und Proton — sowie spätere Beiträge zur Theorie der Höhenstrahlung. In seiner Streumatrixtheorie aus den Jahren 1942 und 1944 kommt Heisenberg noch einmal der konzeptionellen Grundidee seiner Pionierarbeit von 1925 nahe, nämlich nur beobachtbare Größen in den Formalismus aufzunehmen. Dieser so genannte S-Matrix-Formalismus erwies sich zwar als konsistent, die größeren Erfolge in der weiteren Entwicklung der Physik der Quantenfelder und Elementarteilchen gelangen dann aber in den USA einer sich dort etablierenden jüngeren Physikergeneration. Ab den 1950er-Jahren verfolgte Heisenberg — zunächst in Kooperation mit Pauli — ein eigenes, ehrgeiziges Programm zur vereinheitlichten Beschreibung aller elementaren Wechselwirkungen. Die Idee dabei war es, ein fundamentales Quanten-»Urfeld« aufgrund abstrakter Symmetrieannahmen zugrundezulegen, aus dem dann die bekannten Felder folgen sollten. Eine von Heisenberg 1958 vorgeschlagene nichtlineare Grundgleichung wurde von den Medien unberechtigterweise zur »Weltformel« stilisiert. Der praktische Erfolg dieser Theorie blieb letztlich aus.
 
 Heisenbergs politisches Engagement
 
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Heisenberg von der nationalsozialistischen Regierung am so genannten Uranprojekt beteiligt. Seinem geschickten Taktieren und der Ignoranz der Nazis gegenüber den Möglichkeiten der Atomspaltung ist es zu verdanken, dass die deutschen Atomphysiker das Ziel des Baus einer Uran-Atombombe auf das bescheidenere eines Reaktorbaus reduzierten — was dann ebenfalls nur in Ansätzen gelang. Geprägt durch die ungewollten Verstrickungen der Atomphysik in die Weltgeschichte setzte sich Heisenberg nach dem Krieg für den intensiven Dialog zwischen Wissenschaft und Politik ein. So hatte er unter anderem den Vorsitz in der Kommission für Atomphysik und gehörte zu den 18 deutschen Physikern, die 1957 die Göttinger Erklärung gegen eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr unterzeichneten.
 
Als herausragende Wissenschaftlerpersönlichkeit hatte Heisenberg maßgeblichen Anteil an der Gründung wichtiger Wissenschaftsorganisationen wie der Max-Planck- Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des europäischen Kernforschungszentrums CERN in Genf.
 
H. Lyre

Universal-Lexikon. 2012.

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